4 NACHHALTIG IM QUARTIER

3D-Simulation urbaner Energiesysteme

Eric Duminil

Moderne Energiesysteme machen die effiziente Nutzung von Ressourcen möglich. Diese Systeme können sowohl in Neubauten als auch Bestandsgebäude integriert werden. Es gibt heute eine Reihe von Förderprogrammen, beispielsweise der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), die Hausbesitzer:innen bei Maßnahmen wie der energetischen Sanierung der Gebäudehülle, dem Einbau neuer Heiztechnik oder der Nutzung von Solarthermie unterstützen. Während eine erste Einschätzung der zu ergreifenden Maßnahmen auf Gebäudeebene noch ohne detaillierte Objektuntersuchung möglich ist, ist dies auf Quartiersebene aufgrund unterschiedlicher Bebauungsstrukturen, Baujahre, Bauweisen und Nutzungsarten kaum möglich. Der hohe »Unikat-Charakter« von Quartieren, insbesondere in verdichteten städtischen Bestandsquartieren, erschwert zudem die Übertragbarkeit andernorts erfolgreicher Konzepte (Balbach u. a. 2021).

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• CASE STUDY NORDBAHNHOF

Für das Nordbahnhof- und Rosensteinviertel sollte das Energieeinsparpotenzial und die bestmögliche Integration von Solarenergie mithilfe von 3D-Simulation ermittelt werden. Ziel war, ein 3D-Stadtmodell für detaillierte Simulationen zu verwenden, um den Ausbau der Energieeffizienz im Zuge der Energiewende technisch zu vereinfachen. 3D-Modelle können z.B. im CityGML-Format gespeichert werden (HFT Stuttgart 2021a). Hierzu wurde für das Beispiel des bestehenden Nordbahnhofviertels und des neu entstehenden Rosensteinviertels ein 3D-Stadtmodell erstellt und mit dem Simulationsprogramm SimStadt analysiert (HFT Stuttgart 2021b). Diese beiden Viertel wurden für die Untersuchung ausgewählt, da sie exemplarisch die Mischung zwischen Bestands- und Neubauquartieren darstellten. Gleichzeitig war das Untersuchungsgebiet groß genug, sodass eine Automatisierung der Datenerhebung und der Simulation den Prozess im Vergleich zu einer manuellen Bearbeitung deutlich beschleunigte. Das hier angewandte Verfahren kann auch auf größere Stadtgebiete übertragen werden. Das Nordbahnhofviertel (Bestandsquartier) ist historisch durch Backsteingebäude geprägt, die Bewohner:innenstruktur durch ehemalige Bahnmitarbeitende und seit den 50er-Jahren durch Gastarbeitende. Das Rosensteinviertel (Neubauquartier) ist ein geplantes Stadtviertel in Stuttgart nördlich vom Stuttgarter Hauptbahnhof. Aktuell befinden sich dort zum Teil Gleisanlagen, welche im Zuge des Bauprojekts Stuttgart 21 rückgebaut werden.

• CASE STUDY NORDBAHNHOF

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Die Simulation machte folgende Schritte notwendig, die analog auf weitere Gebiete übertragen werden können.

1. Erstellung der 3D-Stadtmodelle (Vorbereitung und Erweiterung der vorhandenen Daten)

2. Überprüfung der 3D-Modelle auf Fehler mit CityDoctor (CityDoctor 2022) und sofern notwendig Reparatur

3. Integration der Baujahre und Gebäudefunktion in die Dateien

4. Durchführung von SimStadt:

a. Solar potential analysis: Solarpotenzialanalyse mit Verschattung

b. Photovoltaic potential analysis: Photovoltailanalyse mit Verschattung

c. Heat demand analysis: Analyse des Wärmebedarfs

d. Heat demand analysis, after Refurbishment: Analyse des Wärmebedarfs nach energetischer Sanierung

e. District heating network analysis: Analyse des Fernwärmenetzes

5. Überprüfung der Ergebnisse auf Plausibilität

• DREIDIMENSIONALE GRUNDLAGEN

3D-Gebäudemodelle werden in Deutschland auf Beschluss der Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen flächendeckend und bundesweit auf Basis des Liegenschaftskatasters durch die jeweilige Landesvermessung geführt. Das 3D-Modell für Stuttgart-Nord wurde vom Bundesamt für Kartographie und Geodäsie zur Ver-fügung gestellt. Die Baujahre der Gebäude waren im Datensatz nicht vorhanden. Daher wurde ein Python-Skript entwickelt, um die Baujahre in die CityGML integrieren zu können. Das 3D-Modell für das Rosensteinviertel wurde in SketchUp erstellt und als CityGML exportiert. Wichtig war es hierbei, dass die Geometrien der Gebäudemodelle geschlossen waren, sodass zum Beispiel Volumen berechnet werden konnten.

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Im Nordbahnhofviertel wurden ca. 600 Gebäude betrachtet. Ungefähr die Hälfte davon waren Wohngebäude, der Rest bestand aus Büros, Hallen, Geschäften und Schulen. Das betrachtete Gebiet erstreckte sich auf einer Fläche von 130 Hektar mit ca. 10.000 Einwohner:innen. Die Gebäude verfügten über eine Gesamtheizfläche von ungefähr 1.000.000 m², wobei die durchschnittliche Gebäudehöhe 15 m über fünf Stockwerke betrug. Die Baujahre lagen zwischen 1850 und 2010, rund 25 % der Gebäude wurden in der Nachkriegszeit erbaut.

Im Rosensteinviertel wurden ca. 100 Gebäude betrachtet. Das Gebiet umfasste eine Fläche von 25 Hektar sowie eine Gesamtheizfläche von 570.000 m². Die durchschnittliche Gebäudehöhe betrug 20 m über 7 Stockwerke. Die Gebäude sollen nach Abschluss des Projekts Stuttgart 21 errichtet werden.

• STROMBEDARF UND PHOTOVOLTAIKPOTENZIAL

Der Haushaltsstrombedarf für das Nordbahnhofviertel wurde mithilfe von SimStadt auf ca. 18.700 MWh/a geschätzt. Es lagen keine gemessenen Daten zum Strombedarf für Nichtwohngebäude vor. Das Gebiet hatte eine gesamte Dachfläche von 197.500 m² mit einer potenziellen Photovoltaiknennleistung von 6,8 MWp. Diese Anlagen könnten einen jährlichen Ertrag von ca. 7.600 MWh/a erbringen, was ungefähr 40 % des Haushaltsstrombedarfs decken würde (bei bilanzieller Jahresbetrachtung).

Der Haushaltsstrombedarf für das Rosensteinviertel wurde mithilfe von SimStadt auf ca. 23.000 MWh/a geschätzt. Das Gebiet hatte eine gesamte Dachfläche von 90.000 m², mit einer potenziellen Photovoltaiknennleistung von 4,9 MWp. Diese Anlagen könnten einen jährlichen Ertrag von ca. 5.500 MWh/a erbringen, was ungefähr 25 % des Haushaltsstrombedarfs decken würde. Dieser Wert lag niedriger als im Nordbahnhofviertel, da die Gebäude im Rosensteinviertel höher waren und jede Wohnung relativ betrachtet weniger Dachfläche zur Verfügung hatte. Um den Autarkiegrad weiter zu erhöhen, könnten Photovoltaikmodule mit höherem Wirkungsgrad ausgewählt werden, die Module könnten dichter aneinander oder auch an Fassaden installiert werden. Zusätzlich wurde die Verschattung betrachtet, um Dachflächen mit geeigneter Einstrahlung (in diesem Fall über 1.100 kWh/(m²a)) auswählen zu können. Dabei wurde die Dachorientierung (Azimut und Neigung) berücksichtigt.

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Die berechnete Einstrahlung für das Rosensteinquartier wurde ebenfalls für den folgenden Beitrag »Landwirtschaft in der Stadt« verwendet. Durch die Simulation konnten für jede Dachfläche die nutzbaren Sonnenstunden inklusive Verschattung berechnet werden. Mithilfe dieser Information können beispielsweise geeignete Pflanzenarten oder -standorte auf den vorhandenen Dachflächen gewählt werden.

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• WÄRMEBEDARF UND VOLLSANIERUNG

Die 600 Bestandsgebäude im Nordbahnhofviertel hatten zum Zeitpunkt der Berechnung einen gesamten Wärmebedarf von 91.600 MWh/a (inklusive Warmwasserbereitung). Nach einer Vollsanierung auf den Standard der EnEV 2016 würde der Bedarf um 35 % auf 59.300 MWh/a sinken.

• AUSBLICK

Die vorliegenden Forschungsergebnisse belegen, dass es auch auf Basis der wenigen im Regelfall verfügbaren Eingangsdaten möglich ist, belastbare Resultate hinsichtlich der Wärmebedarfe und Versorgungsoptionen eines Quartiers zu generieren. Damit können Überlegungen und Entscheidungen zu konkreten Versorgungsoptionen oder Sanierungsmaßnahmen bereits in frühen strategischen Planungsphasen anhand einer belastbaren Datenbasis herbeigeführt werden. Auf diese Weise lässt sich der gesamte Planungsprozess transparenter und effizienter gestalten. Eine zusätzlich notwendige Detailauslegung der verschiedenen Komponenten kann zielgerichteter vorgenommen werden.

Landwirtschaft in der Stadt

Keyu Bao

Das Thema Landwirtschaft in der Stadt greift tatsächlich weiter zurück, als der derzeitige Trend vermuten lässt. Wo während der Urbanisierung und später dem Ersten und Zweiten Weltkrieg Klein- und Gemeinschaftsgärten vor drohendem Hunger und Elend bewahren sollten, liegen die Bedürfnisse heute meist eher im sozialen Kontakt und sozialer Inklusion (Casazza/Gallo/Sala 2016). Die positiven Aspekte sind mannigfaltig, denn es lassen sich viele weitere ökologische und soziale Effekte verzeichnen.

Urbanes Grün erhöht die Lebensqualität in Städten und fördert damit auch das mentale und physische Wohlbefinden der Menschen. Es mindert den Hitzeinseleffekt in Städten, verbessert die Luftqualität und reduziert sogar Lärmverschmutzung (Proksch 2011). Gerade in Städten, deren Ernährungssystem auf den Import von extern produzierten Lebensmitteln abhängt, hat die lokale landwirtschaftliche Produktion großes Pozential. Lange Transportwege, Lagerzeiten und Verpackungen entfallen (Casazza/Gallo/Sala 2016), wodurch Energie und Emissionen eingespart werden. Die Versorgungssicherheit steigt – was nicht erst die infrastrukturellen Engpässe in der COVID 19 Pandemie auch in entwickelten Ländern wieder zu einem relevanten Thema gemacht haben. Nicht zuletzt schafft das gemeinsame Gärtnern ökologisches Bewusstsein und wirkt gemeinschaftsbildend und positiv auf den sozialen Zusammenhalt (Pryor/Wang 2016; Proksch 2011).

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Genutzt werden dazu meist bereits existierende Brachflächen als Orte des kollektiven Lernens und Gemeinschaffens. Vor allem Dachflächen verbinden dabei die positiven Effekte urbaner Landwirtschaft und Dachbegrünung (Pryor/Wang 2019; Proksch 2011). So kann intensive Dachbegrünung, wie sie eine produktive Nutzung bedingt, Abhilfe bei Starkregenereignissen schaffen, indem das Wasser im Substrat länger gespeichert und erst nach und nach in die Kanalisation abgegeben wird. Im Vergleich zu konventioneller Dachbedeckung bietet produktive Dachbegrünung wesentlich mehr Vorzüge und sollte aufgrund administrativer und statischer Voraussetzung bereits in der Planung neuer Gebäude berücksichtigt werden (Proksch 2011). Doch welche Art Dachfläche eignet sich für eine solche landwirtschaftliche Nutzung? Benötigt der Gemüseanbau in der Höhe zusätzliche Bewässerung? Und kann der Bedarf an Lebensmitteln über Dachfarmen überhaupt gedeckt werden?

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• IST DACHFLÄCHE GLEICH DACHFLÄCHE?

Nicht alle Dachflächen eignen sich für urbane Landwirtschaft. Um nutzbare Dachflächen zu lokalisieren, werden Informationen zu Dachneigungswinkel, Angaben zur Größe der Dachflächen sowie Daten zur Gebäudegeometrie benötigt. Im Rahmen des Projekts wurden CityGML-Daten für das neu entstehende Rosensteinviertel verwendet, um 3D-Gebäudeobjekte in Bezug auf ihre Geometrie, Topologie und Ausgestaltung beurteilen zu können. Als geeignete Dachflächen wurden dabei Dächer mit einem Neigungswinkel von unter 10° gewählt. Da alle Gebäude im Rosensteinviertel neu gebaut werden und somit den neuesten Energieeffizienzstandards entsprechen, wurde für die Berechnungen angenommen, dass die Dächer intensiv begrünt und mit PV-Anlagen ausgestattet werden.

SimStadt ist ein Simulationsprogramm für urbane Systeme, das an der HFT Stuttgart entwickelt wurde. Für reale städtebauliche Situationen oder Planungen können Energieanalysen von einzelnen Gebäuden, Stadtteilen, Städten und Regionen durchgeführt werden. Die Anwendungsszenarien reichen von hochauflösenden Simulationen des Wärmebedarfs von Gebäuden, über Potenzialstudien für Photovoltaik bis hin zur Simulation regenerativer Energieversorgungsszenarien für Gebäudesanierungen. Damit ist SimStadt in der Lage, Architekten, Ingenieurbüros, Stadtplanenden und Kommunen bei integrierten Planungsprozessen und bei der Definition von Maßnahmen zur nachhaltigen (Um-)Gestaltung von Gebäuden und Quartieren maßgeblich zu begleiten (HFT Stuttgart 2021).

Die wichtigste geografische Eingabe für SimStadt sind die zuvor vorgestellten CityGML 3D-Gebäudemodelle. Dafür wird für die Berechnung des Rosensteinviertels ein 3D-Gebäudemodell im LoD1 CityGML-Format auf Grundlage des Planungsstands 2019 von ASP Architekten erstellt. In einem gemeinsamen Analyseschritt, dem sog. »Geometric Preprocessor« wird die vollständige Geometrie des Modells analysiert und die Dachfläche, die Ausrichtung und der Dachneigungswinkel angegeben. Die Information zu Dachfläche und -winkel ist entscheidend für die Ermittlung der für die Bewirtschaftung geeig-neten Dachflächen. Basierend auf diesem Datenmodell wurde eine nutzbare Gesamtdachfläche von 76.821 m² für das Rosensteinviertel ermittelt.

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Da die Gebäude wie anfangs beschrieben mit Photovoltaik ausgestattet sein sollen, wurde für die weitere Berechnung ein Flächenverbrauch von 20% für technische Gebäudeausrüstung und 50% für PV-Anlagen angenommen, sodass ein Anteil von ca. 30 % (23.046 m²) für urbane Landwirtschaft genutzt werden kann.

• HAT URBANE LANDWIRTSCHAFT POTENZIAL IM ROSENSTEINVIERTEL

Welche Menge an Lebensmitteln kann direkt in Stuttgart lokal vor Ort produziert werden? Wie hoch ist der Wasserbedarf? Um diese Fragen zu beantworten, wurde der Ernteertrag sowie der Wasserbedarf für vier typische Kulturpflanzen simuliert. Dazu wurde das Pflanzenwachstumsmodell AquaCrop verwendet, welches von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) entwickelt wurde. AquaCrop simuliert den Ertrag eines Pflanzentyps in Bezug auf Niederschlagsmengen, Bewässerung sowie Bodenbeschaffenheit (FAO 2022). Die Szenarien mit und ohne Bewässerung wurden auf sogenannten schluffigen (die Korngröße der Teilchen liegt zwischen Sand und Ton) Böden und unter Stuttgarter Klima simuliert.

Grundsätzlich sind sowohl zentrale als auch dezentrale Bewässerungssysteme denkbar, die auf Dächern oder in Gärten installiert werden können. Ein Bewässerungssystem kann im Stadtviertel erfolgreich genutzt werden, wenn das Regenwasser auf Dächern gesammelt wird, der Wassertank groß genug ist und mehrere Pumpen für das Bewässerungssystem vorhanden sind.

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Die erste Tabelle zeigt für verschiedene Kulturpflanzen den Ertrag in Abhängigkeit von Niederschlag und Wasserbedarf in einer Pflanzperiode. Dabei wurden unterschiedliche Parameter wie zum Beispiel Verdunstung, Versickerung und Wasserzufuhr durch Bewässerungssysteme in die Simulation miteinbezogen. In der Berechnung wird angenommen, dass im Falle einer künstlichen Bewässerung der Wassergehalt des Bodens auf 90% Bodenfeuchtigkeit gehalten wird.

Die Simulationsergebnisse zeigen, dass bei Kartoffeln der Boden während der gesamten Wachstumsperiode feucht bleibt. Alle Werte der Szenarien »ohne Bewässerung« und »mit Bewässerung« sind hier identisch, da Kartoffeln einen geringen Wasserbedarf haben und daher keine zusätzliche Bewässerung benötigen. Für Karotten sind nasse Böden nicht ideal, wodurch der Ertrag geringer ausfällt (– 41 %). Bei Tomate und Salat steigert sich der Ertrag hingegen um bis zu 9 %. Die Ergebnisse machen deutlich, dass der Niederschlag im Stuttgarter Klima den Wasserbedarf der Pflanzen vollständig decken kann. Eine zusätzliche Bewässerung kann den Ertrag nur bei Tomaten und Salat geringfügig steigern. Wendet man diese Werte auf die angenommene nutzbare Dachfläche von 23.046 m² an und teilt diese Fläche gleichmäßig auf die vier Kulturarten auf, können potenziell 6,9 Tonnen Kartoffeln, 7,5 Tonnen Tomaten und zusammen genommen 8,1 Tonnen Karotten und Salat pro Jahr im Rosensteinviertel lokal produziert werden.

• MUSS ICH NOCH GEMÜSE KAUFEN?

Ein Dachgarten ist eine attraktive Möglichkeit für die Bewohner:innen des Rosensteinviertels, sich auf dem Dach zu treffen, sich sozial zu vernetzen sowie gemeinschaftlich und lokal Gemüse anzubauen. Damit steigt der Selbstversorgungsgrad.

Am Beispiel des Rosensteinviertels wurde der Nahrungsmittelbedarf für Kartoffeln, Tomaten und sonstige Gemüsesorten für ca. 5.800 zukünftige Bewohner:innen berechnet. Der Pro-Kopf-Nahrungsmittelbedarf wird von der FAO (FAO 2022) angegeben. Die Simulationsergebnisse zeigen, dass die lokale Lebensmittelproduktion auf den Dachflächen des Rosensteinviertels nicht ausreichen würde, um den gesamten Lebensmittelbedarf in diesem dicht besiedelten Stadtteil zu decken. Wird die verfügbare Dachfläche mit allen vier Kulturpflanzenarten gleichermaßen bewirtschaftet, können die vor Ort produzierten Tomaten beispielsweise lediglich 9% des vorhandenen Bedarfs der Anwohner:innen decken. Bei Kartoffeln und den anderen beiden Gemüsesorten sind es sogar nur 2%.

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Auch wenn der Bedarf der Bewohner:innen im angenommenen Fall nur zu einem kleinen Teil gedeckt werden kann, ist das dennoch kein Grund, die Idee der urbanen Landwirtschaft im Viertel gleich komplett zu verwerfen. Vor dem Hintergrund einer wachsenden Bevölkerung und knapper werdenden landwirtschaftlichen Flächen lohnt es sich, dem Experiment auf den Stadtdächern mit Substrat, Bepflanzung und Gebäudestruktur eine Chance zur Optimierung zu geben. So könnte sich beispielsweise durch eine synergetische Nutzung der Dachfläche für Photovoltaik und Landwirtschaft der zur Produktion verfügbare Flächenanteil erheblich vergrößern. Darüber hinaus profitieren die Bewohner:innen schließlich auch ohne absolute Versorgungssicherheit gemeinschaftlich und ganz persönlich vom sozialen Kapital der Dachgärten (Pryor/Wang 2019; Grefe 2022).